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Wuwei fördert Einsicht und Heilung

Wuwei fördert Einsicht und Heilung - AngelaL, PIXELIOPeter Hubral: Yin und Yang von Bewegung und Ruhe

Im Huangdi Neijing, dem ältesten Medizinkanon der Welt, der dem Gelben Kaiser zugeschrieben wird, werden die Qi-Meridiane angesprochen, die in Yin– und YangMeridiane unterteilt werden. Sie wurden mit der Dao-Praxis (Daoxing) entdeckt, die ich in meinem Buch „Mit Wuwei zum Dao“ beschreibe. Dabei handelt es sich um eine formlose (Taiji-)Meditation im entspannten Stehen, ohne Ziel und Absicht. Sie ist die Essenz der traditionellen chinesischen Lebenspflege (Yangsheng) und Wahrheitssuche (Xiuzhen).

Das „Konzept“ der Meditation im Stehen, bietet ein umfangreiches Vokabular an, auf das sich die Lehre vom Dao, die klassische Chinesische Medizin und fast alle Taiji-Schulen beziehen. Dazu gehören die Begriffe Wu, Wuyou, You, Wuwei, Youwei, Qi (Chi), Yin und Yang. Im Folgenden werde ich diese Begriffe etwas beleuchten, denn ich bin seit 1997 mit der Dao-Praxis vertraut. Sie wurde mir von Dao-Meister Fangfu beigebracht.

 

Wir lesen im Huangdi Neijing: „Ich habe gehört, dass in alten Zeiten es ‚geistige Wesen’ gegeben hat; (…) sie verstanden das Yin und Yang.

 

Ich werde erklären, was es heißt: Sie verstanden das Yin und Yang. Ich werde begründen, warum Yin mit <Nehmen des Menschen> und Yang mit <Geben der Natur> zu tun hat. Meine Antwort basiert auf meiner eigenen Erfahrung mit Daoxing. Diese veranlasst mich, im Folgenden die erkennende (kognitive) und heilende (physiologische) Funktion der Meridiane anzusprechen, denn sie trägt zum Verständnis des vegetativen Nervensystems bei, das ebenfalls in zwei Teilsysteme, Sympathikus und Parasympathikus, aufgeteilt ist. Auch sie stehen in einer fundamentalen Yin-Yang Wechselbeziehung.

Es ist wichtig diese zu verstehen, um den eigenen Lebensrhythmus mehr in Harmonie mit der Natur zu bringen. Was ich darüber berichte, sollte besonders für all diejenigen von Interesse sein, die Bewegungsübungen jeglicher Art (wie Qigong oder Yoga) und insbesondere Taiji-Übungen als Gesundheitsvorsorge und Wege zur Erweiterung von Erkenntnis betrachten.

Wuwei gilt in der Lehre vom Dao als das höchste Prinzip. Es wird im „Daodejing“, dem berühmten Werk Laozis, angesprochen. Ich nenne Wuwei den schöpferischen Trieb. Die Übersetzung von Wuwei ist: Wirken (Wei) aus dem Unbekannten (Wu). Es wird durch Nicht-Tun (Nicht-Handeln) hervorgebracht, was ebenfalls Wuwei genannt wird.

Die Übersetzung von Youwei ist: Wirken (Wei) aus dem Bekannten (You). Ich nenne Youwei den gesellschaftlichen Trieb. Er wird durch Tun (Kontrolle, Wille, Denken) verursacht, was ebenfalls Youwei genannt wird.

Es spricht vieles dafür, den Meridianen und dem vegetativen Nervensystem dieselbe kognitive und physiologische Funktion zuzuweisen. Dazu zählt, dass Wuwei (Wirken aus dem Unbekannten) und Yang-Meridiane dem Parasympathikus und Youwei (Wirken aus dem Bekannten) und Yin-Meridiane dem Sympathikus zugeordnet werden sollten. Wer an Erkennen (Kognition) und Heilen (Physiologie) interessiert ist, kommt nicht umhin, sich mit Wuwei und Youwei wie auch mit Yang und Yin auseinanderzusetzen.

Wie ich zeige, werden Yin- und Yang-Meridiane in der Dao-Lehre umfassender verstanden als Sympathikus und Parasympathikus in der westlichen Schulmedizin. Folglich tragen sie dazu bei, das vegetative Nervensystem tiefgreifender als bisher zu verstehen. Dazu ist es wichtig, den beiden fundamentalen gepaarten Begriffen Yin und Yang wie auch Wuwei und Youwei die Bedeutung zuzuweisen, die ich im Folgenden erkläre.

Was ich, aus Sicht der uralten Erkenntnisse der Dao-Lehre über die Yang-Meridiane zu berichten habe, beleuchtet insbesondere tiefere Wirkmechanismen des Parasympathikus wesentlich detaillierter und hilft, diesen umfassender als bisher zu verstehen. Der Parasympathikus wird bei uns meist stiefmütterlich behandelt, während den Yang-Meridianen in der Dao-Lehre eine immens hohe Bedeutung zugemessen wird.

Dies haben ohne Zweifel der Gelbe Kaiser, Laozi (ca. 604 – 531 v. u. Z), Platon und Empedokles erkannt, worauf moderne Dao-Lehrer wie Fangfu immer noch verweisen. Daoisten haben seit Jahrtausenden tiefgründige Erkenntnisse erlangt, die der westlichen Medizin, Bewegungstherapie und Erkenntnislehre erst allmählich zugänglich werden. Taiji-Praktizierende sind prädestiniert, hier einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Dazu sollten sie nicht nur ihre vertraute Praxis, sondern auch die eher unvertraute Theorie, die sich dahinter verbirgt, verstehen. Es ist mein Anliegen, genau dies hier zu fördern.

 

Die Schöpfung wirkt dort, wo das Denken nicht hinkommt

Ich möchte einen kurzen Einblick in die Bedeutung von Wuwei für das Erkennen geben. Betrachten wir dazu das Entstehen einer neuen Idee. Sie ist eine Manifestation im Bekannten (You) eines ‚sich stets wandelnden selbstbewegten, selbststeuernden und selbstorganisierenden (kurz: selbstbewegten) Gedankenflusses‘ vom Unbekannten (Wu) zum Bekannten (You).

Sie kann nicht willentlich verursacht werden, sondern erfolgt unwillentlich. Sie wäre nicht neu, wenn sie in das Repertoire des schon Bekannten (You) fallen würde, mit dem wir uns definieren und worauf unser Wille zurückgreift. Folglich kann die Idee nicht unser Eigen sein, definieren wir uns doch über das, was uns im Bekannten (You) zugänglich ist.

Bevor der Gedanke zur Idee wird, geht er durch eine Phase konfuser noch nicht zu artikulierender Einsicht, die dann ins Bekannte (You) hinein fließt (emaniert), um dort als neue, zu artikulierende Idee akzeptiert zu werden. Dies geschieht durch die Anpassung dieser Einsicht an vertrautes gesellschaftliches Wissen. Was unbekannt und neu (Wu) ist, kommt stets spontan zustande und wird erst im Nachhinein gedanklich erfasst, um somit das Bekannte (You) zu erweitern.

In anderen Worten: Die der verständlichen Idee vorausgegangene noch unverständliche Einsicht, fällt in einen jenseitigen konfus kreativen Bereich, der der eigentlichen Erschaffung/Kreation (You) übergeordnet ist. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Einsicht ebenfalls konfus ist. Der schöpferische Bereich wird als Zwischenwelt (Wuyou) bezeichnet, zumal er, allegorisch gesprochen, die Brücke – der Übersetzer/Mittler – von Wu zu You ist. Zwei alte daoistische Bezeichnungen für Wuyou sind Taiji und Dao.

Wie kommt es zur Einsicht? Die Antwort ist: Sie resultiert selbstbewegt im willentlichen Kontrollverlust, also aus gedanklicher Ruhe. Sie stellt somit eine Bewegung aus der Ruhe, also eine spontane Bewegung, dar. Sie ist das Resultat des Wirkens (Wei) aus dem Unbekannten (Wu) als Folge des eigenen Nicht-Tuns, Nicht-Eingreifens (Wuwei). Die Dao-Praxis bestätigt: Ruhe gebärt Bewegung (Jing Ji Shen Dong) und Bewegung kehrt zur Ruhe zurück (Dong Ji Gui Jing).

Die spontane Bewegung oder Selbstbewegung erfolgt nicht nur auf geistiger, sondern auch auf seelischer (psychischer) und körperlicher (somatischer) Ebene. Was für das Einsehen gilt, gilt auch für das Heilen. Es erfolgt selbstbewegt mit dem Ursprung im Unbekannten (Wu). Auch dahinter verbirgt sich der Schöpfungstrieb: Wuwei. Er ist ein Attribut von Wuyou (Taiji).

Je mehr wir die Fähigkeit zur Stille oder zum willentlichen Kontrollverlust, d.h. zur Weltabgewandtheit, im Üben entwickeln, umso stärker wirkt Wuwei. In anderen Worten: Wir haben konfuses Einsicht-Haben und Heilen nicht uns selbst, sondern der gedanklich unfassbaren Schöpfung (Wuyou = Taiji = Dao) zu verdanken, die sich durch Wuwei (Nicht-Tun) offenbart. Ich nenne Wuyou auch die erste (verborgene) Natur. Das was sie hervorbringt, also You, ist die zweite (unverborgene) Natur, mit der wir über Youwei (Tun) verbunden sind.

Einsicht-Haben und Heilen sind Aspekte in der ersten Natur (Wuyou). Die daraus resultierende Erkenntnis und Gesundheit, die über Sprache und Denken erfasst werden, sind Aspekte der zweiten Natur (You). Man könnte die zweite Natur als Projektion der ersten Natur auf der Ebene des Bekannten (You) auffassen.

Wuwei erzeugt Youwei und umgekehrt. Beide Triebe wirken zyklisch mit- und gegeneinander. Am Höhepunkt von Wuwei entsteht Youwei und umgekehrt. Was durch Wuwei selbstbewegt geboren wird, wird durch Youwei gehemmt.

Die Grundfrage, die sich daraus ergibt, ist: Wenn hinter Einsehen und Heilen Wuwei steckt, müssen wir uns dann damit begnügend das hinzunehmen, was da als schöpferisches Wirken selbstbewegt vonstattengeht? Oder gibt es eine Möglichkeit, diesen Prozess in irgendeiner Weise, ja selbst ohne Denken, Sprache oder Willen, auf natürliche Weise zu unterstützen?

Die Antwort ist: Ja, durch Förderung von Wuwei! Die Notwendigkeit dafür ist dadurch gegeben, dass die Dialektik zwischen Wuwei (Inaktivität) und Youwei (Aktivität) in der Regel aufgrund von zu viel Youwei aus dem Gleichgewicht geraten ist.

In anderen Worten: Wir sind alle zu sehr Youwei-orientiert. Das Nicht-Tun (Wuwei) fällt uns schwer. Wuwei zu realisieren ist eine hohe Kunst. Laozi: „Wuwei (Nicht-Tun) ist die allerschwierigste Beschäftigung und zugleich diejenige, die am meisten Geist voraussetzt (um zur Stille zu kommen)“. Laozis Worte scheinen im Widerspruch zu stehen mit seinen Worten: „Der große Weg (Dao-Praxis) ist sehr einfach, aber die Menschen lieben die Umwege“. Einfach ist das Prinzip, aber nicht seine Realisierung. In der Dao-Lehre kommt Wuwei rigoros zum Einsatz. Dazu liefert Dao-Meister Fangfu unverzichtbare Hilfestellungen.

 

Yin-Yang Dialekt zwischen Wuwei und Youwei

Man kann die Harmonie zwischen Wuwei und Youwei deshalb anstreben, weil eine Rückkoppelung zwischen beiden Trieben besteht. Wäre sie nicht vorhanden, so könnte man Wuwei nicht fördern.

Fangfu: Es ist besser, Sie erlernen mit der Dao-Praxis absichtlich die Kontrolle über sich zu verlieren, als dass Sie diese eines Tages ungewollt verlieren. Wahre Selbstbeherrschung im Alltag resultiert daraus, dass man die vertraute Kontrolle im (regelmäßigen) Üben aufzugeben lernt. Dies dient der Rückkehr zur (schöpferischen ersten) Natur.

Dazu Laozi: Wer Wuwei beherrscht, beherrscht auch Youwei.

In anderen Worten: Wenn wir Einsichten und Heilen durch Üben fördern wollen, dann macht es Sinn, sich in rigoroser Weltabgewandtheit und Versunkenheit ohne Ziel und Konzept, dem liebevollen Schöpfungstrieb (Wuwei) rigoros und anstrengungslos hinzugeben. Darauf basiert die Dao-Praxis, die auch Wuwei-Praxis genannt wird.

Der griechische Naturphilosoph Heraklit (ca. 535 – 475 v. u. Z.) bezeichnet die dialektische Interaktion zwischen Wuwei und Youwei mit pólemos (Streit): Pólemos patèr pánton (Der ‚Streit‘ ist der Vater aller Dinge).

Auch betont er die Wichtigkeit des Wirkens (Wei) aus dem Unbekannten (Wu) zur Förderung der Harmonie zwischen Yin und Yang: Unsichtbare Harmonie ist stärker als sichtbare. Damit drückt er aus, dass Wuwei aus einem jenseitigen Bereich (Wuyou) wirkt. Dieser ist zwar über Denken und Sprache unzugänglich, doch seine Wirkung kann durch Nicht-Tun (Wuwei) gefördert werden, um das Yin-Yang-Wechselspiel zwischen Wuwei und Youwei zunehmend in einen harmonischen Rhythmus zu bringen.

Es wäre aber falsch, Wuwei als gut und Youwei als schlecht zu bezeichnen, denn auf Youwei lässt sich im Leben nicht verzichten. Wuwei ist nur dann gut, wenn es für die Kompensation von zu viel Youwei sorgt. Dadurch reduziert sich der ‚Streit‘ zwischen den beiden Kontrahenten.

Die Harmonisierung bewirkt eine Bewusstseins- und Sinneserweiterung. Sie resultiert dadurch, dass Wuwei verstärkt und Youwei mit zunehmender Wuwei-Fähigkeit vermindert wird.

Fangfu: Was in dieser Welt erkannt wird, bestimmt unser gewöhnliches Bewusstsein. Mit der Dao-Praxis ist es jedoch das (sich kontinuierlich erweiternde) Bewusstsein, das das bestimmt, was erfasst wird.

Damit haben Daoisten vor Jahrtausenden die Qi-Meridiane entdeckt, lange bevor man sich des vegetativen Nervensystems im Westen bewusst war.

 

Qi-Meridiane und vegetatives Nervensystem

Youwei erfordert willentliche Kontrolle, die auf zuvor erworbenes Wissen zurückgreift. Wuwei erfordert das Gegenteil: Loslassen. Youwei ist kulturell geprägtes Handeln und Wuwei ist natürliches Nicht-Tun. Youwei spannt an und Wuwei entspannt. Youwei aktiviert die Yin-Meridiane und deaktiviert die Yang-Meridiane. Wuwei macht das Gegenteil. Youwei verzehrt Lebensenergie und Wuwei fördert sie. Youwei trägt zur Degeneration der Yang-Meridiane bei und Wuwei zur Regeneration.

Nur mit Wuwei kann man sich für schöpferisch Neues öffnen und Einsicht und Heilen fördern. Das Grundprinzip ist: Die erste Natur (Wuyou) gibt und der Mensch, der sich durch die zweite Natur (You) definiert, nimmt. Die erste Natur (Platon: ph’ysis), die aus sich heraus, also selbstbewegt, gibt, ist zwar über Denken und Sprache unzugänglich, dafür aber über Üben zugänglich.

Zuviel Youwei erschöpft den Menschen. Es macht ihn uneinsichtig und krank, weil Geben (Yang) der ersten Natur (Wuyou) und Nehmen (Yin) des Menschen in der Regel aus dem Gleichgewicht geraten sind.

Auch die Schulmedizin bestätigt, dass Sympathikus und Parasympathikus in Disharmonie sind, wenn der Sympathikus auf Kosten des Parasympathikus überbeansprucht wird. Unsere Sympathie sollte also vielmehr dem Parasympathikus und weniger dem Sympathikus gelten.

Die Gleichheit der Funktionen von Sympathikus und Yin-Meridianen wie auch Parasympathikus und Yang-Meridianen wird dadurch angedeutet, dass Schulmedizin und Dao-Lehre in der Beschreibung der Funktion von Sympathikus und Yin-Meridianen gut übereinstimmen.

Dies gilt jedoch nicht für Parasympathikus und Yang-Meridiane. Hier klaffen die Vorstellungen auseinander, denn das was die Dao-Lehre über die Yang-Meridiane erfasst hat, ist sehr tiefgründig. Das, was die Schulmedizin hingegen über den Parasympathikus zu berichten hat, ist im Vergleich dazu sehr oberflächlich. Der Grund ist, dass die Schulmedizin meines Wissens nicht erkannt hat, dass der Parasympathikus, so wie die Yang-Meridiane, durch Wuwei aktiviert (regeneriert) wird.

Was die Schulmedizin zur Aktivierung des Parasympathikus anzubieten hat, ist z.B. die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Doch die Dao-Praxis entspannt die Muskeln auf effektivere Weise. Diese geht einher mit der Selbstbewegung, die ein Attribut von Wuwei ist. Sie mag Taijiquan-und Qigong-Praktizierenden unterschiedlicher Stile mehr oder weniger vertraut sein. Für mich ist sie zur alltäglichen Realität meiner Dao-Praxis geworden. Je mehr spontane Bewegung zustande kommt, umso mehr kommt Wuwei zum Einsatz. Die Fähigkeit, Wuwei zu erfahren, will jedoch erlernt sein.

Was ich hier andeute, hat der Dao-Praxis in China seit Jahrtausenden den Ruf eingebracht, eine biologische Verjüngung zu ermöglichen. Sie liefert ein umfangreiches Wissen über die Qi-Meridiane, das ich hier nur kurz und in meinem Buch „Mit Wuwei zum Dao“ umfangreicher anspreche. Daraus ziehe ich nun Schlussfolgerungen, die für alle Übenden von Interesse sein sollten.

Die wesentlichste Schlussfolgerung ist, dass jede Bewegung – mit der dazugehörigen Muskelstreckung – umso weniger eine ideale Bewegung, also Selbstbewegung (spontane Bewegung), ist, je mehr Youwei ins Spiel kommt. Youwei dient nicht der Aktivierung der schöpferischen Yang-Meridiane (Parasympathikus), sondern der energieverzehrenden Yin-Meridiane (Sympathikus).

Youwei spannt Muskeln an und vermindert somit die Blutzirkulation und Versorgung der Organe. Es dient somit nicht der Verjüngung, sondern lässt viele von uns, deren Bewegungen stark Youwei-betont sind, meist früher als später, ‚ganz schön alt aussehen.‘

Man mag sich zwar einbilden, anstrengendes Üben würde entspannen, doch im Prinzip erschöpft es, was die moderne Neurowissenschaft zunehmend bestätigt. Damit kommt sie zur Erkenntnis von Platon: Der ‚Körper‘ ist das Grab der Seele. ‚Körper‘ ist eine Metapher für die greif- und begreifbare (körperliche) Welt, also das Bekannte (You und Youwei), von dem man im Üben rigoros loslassen muss, sofern man Wuwei fördern will. Auch darüber berichtet Platon.

Der Grund, warum willentliche Bewegungen zu entspannen scheinen, aber nicht wirklich entspannen, ist darin zu finden, dass jeder Anspannung eine Entspannung folgt. Doch Entspannung (Ruhe) aufgrund vorangegangener Anspannung (Bewegung) hat, wie tausendjährige Dao-Erfahrung belegt, nicht die positive Wirkung wie Entspannung aufgrund vorangegangener Entspannung. Folglich ist zu schließen, dass Bewegungen inklusive der Muskelstreckung nur dann schöpferisch sind, wenn sie der – durch Wuwei verursachten und der Schulmedizin kaum vertrauten – sanften und anstrengungslosen Selbstbewegung möglichst nahe kommen.

In der Dao-Lehre heißt es: Die Zähne sind härter als die Zunge, sie gehen aber auch früher verloren. Bertolt Brecht drückt dies in seinem bekannten Gedicht über Laozi, dem Daodejing, wie folgt aus: Sagt der Junge: Er (Laozi) lehrte, dass das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt. Wer stets Härte gegen sich zeigt und meint, es gäbe nur Gewinner oder Verlierer trägt seine Seele mit dem ‚Körper‘ zu Grabe.

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Foto: © AngelaL – PIXELIO

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