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Was Großmutter noch wusste und wir längst vergessen haben

Was Großmutter noch wusste - Andrey Kiselev, 123RFIm Winter halte Füße – Nieren – Ohren warm

Wer kennt es nicht…einen kleinen harmlosen und dennoch weisen Spruch mit auf den Weg, sobald man die großmütterliche Stube verlässt. Oft abgetan als „ja, ja Oma, früher war das so aber heute….“ verlieren wir immer mehr den Zugang zu solch kleinen Weisheiten, aber wenn wir uns diese Anekdötchen einmal näher anschauen, erkennen wir vielleicht doch noch den tieferen Sinn bzw. das dahinterliegende Wissen.

 

Warum diese 3?

Die Niere ist Ausdruck des ursprünglichen Feuers, der ursprünglichen Kraft und des gesamten Potentials und hat somit einen engen Bezug zur allgemeinen Konstitution und Wärme-Kälte-Regulation des Körpers. Sie sollte immer, und besonders im Winter gut geschützt und gestärkt werden. Wie allen Organsystemen werden auch der Niere unterschiedliche Körperbereiche bzw. Tore zugeordnet über die ein direkter Zugang und Austausch mit dem Organ selbst besteht. Bei der Niere sind dies u. a. die Füße und die Ohren.

Die Niere selbst ist Ausdruck des Himmels (Tian-Di-Ren) im Menschen, so wie die Füße, als Ausdruck der Nieren ein Abbild des Himmels direkt auf Erden symbolisieren. Die Füße symbolisieren allein anatomisch betrachtet Standhaftigkeit und Verwurzelung mit der Erde. Sie haben somit neben dem direkten Bezug zur Wandlungsphase Wasser, auch den zur Wandlungsphase Erde. Ist der Mensch verwurzelt, sich seiner selbst bewusst, steht er mit beiden Füßen im Leben, ist standfest anstatt leicht „herumzuschubsen“, gut geerdet anstatt wurzellos.

Unsere Füße und Beine werden von den Nieren kontrolliert und genährt und bilden unsere Wurzel. Ist unsere Wurzel stark und die Beine kräftig wird der Unterleib gut genährt, die Wirbelsäule mit Qi durchflutet und Richtung Himmel aufgerichtet. Und mit aufgerichtet ist aus Sicht der Chinesischen Medizin nicht nur eine gesunde Haltung auf körperlicher Ebene gemeint, mit einem begradigten unteren Rücken anstatt Hohlkreuz, damit Mingmen (Tor der Bestimmung) sich bestmöglich entfalten kann, sondern eben auch eine Aufrichtung im Sinne von Aufrichtigkeit.

Und so ist es auch das Partnerorgan der Niere, die Blase, die diese Aufrichtung gen Himmel sogar mit doppelter Kraft unterstützt indem sie mit ihrer Leitbahn, von Bl 1, dem „Klarsehen-Punkt“ in jeweils doppeltem Verlauf links und rechts der Wirbelsäule verläuft um diese zu stützen, und dann im späteren Verlauf in der Fußsohle zu enden.

In der Mitte der Fußsohle wiederum finden wir den 1. Punkt der Nieren-Leitbahn, den „Yongquan“ Punkt, die „sprudelnde Quelle“. Ein sehr wichtiger Punkt wenn es darum geht die Niere und ihre Funktionen zu stärken und aufsteigendes Qi „herunterzuholen“. Alles was nicht gut verwurzelt ist, steigt gern auf und „flippt herum“, macht Beschwerden im oberen Bereich, besonders Symptome wie nicht zur Ruhe kommen können, Kopfchaos, schlecht in den Schlaf finden kommen können, Unruhe etc. Natürlich ist eine individuelle Diagnose und Therapie ratsam, aber vorbeugend oder auch ergänzend für Sie selbst zuhause können Sie mit einigen einfachen Kniffen positiv Einfluss auf Ihr Befinden nehmen. Denn dieser Punkt, dieses Tor, trägt wie der Name schon sagt, die Fähigkeit in sich „Dinge“ wieder zur Quelle zurückzuführen und die Quelle wieder zum Sprudeln zu bringen.

So sammelt sich beispielsweise am Abend, wenn wir uns schlafen legen unsere äußere Schutz- und Abwehrschicht – das WeiQi, welches tagsüber wie eine Art Schutzhülle an der Oberfläche zirkuliert um uns vor äußeren Einflüssen zu schützen, genau in diesem Punkt um sich dann über Nacht ins Innere, zur Quelle zurückzuziehen um dort quasi wie an einer Akkuladestation für den nächsten Tag aufgeladen zu werden.

Ein warmes Fußbad am Abend oder auch eine Fußmassage vor dem Schlafengehen können wunderbar unterstützend angewendet werden. Das abendliche warme Fußbad bedient gleich mehrere Komponenten: Es entspricht natürlich dem Wasserelement. Das Wasser / die Niere braucht und liebt Wärme und Feuer, denn Yin braucht immer Yang um belebt und bewegt zu werden. Und ganz besonders die Niere braucht das Herz als Initiator um ihr gesamtes Potential zur Entfaltung bringen zu können.

Der Abend und die Zeit vor dem Schlafengehen, bzw. auch die Schlafenszeit entsprechen der Zeit des tiefsten Yin des Tages  und des Rückzugs und werden ebenfalls der Wandlungsphase Wasser zugeordnet.

Der beruhigende und herunterholende Effekt eines Fußbads kann natürlich verstärkt werden indem Sie mit ihrer Vorstellung ebenfalls in den unteren Bereich des Körpers wandern, sanft in die Füße hineinatmen oder auch einige Male das Bild der Dusche wirken lassen, die sanft von Kopf bis Fuß im Inneren und außen am Körper entlang rieselt und alles mitnimmt und wegspült was Sie zu viel im Kopf, auf den Schultern, im Nacken sitzen usw. haben. Da die Füße, Nieren und Ohren als Einheit betrachtet werden, können Sie ganz wunderbar vom Fußbad direkt übergehen zur weiteren Massage.

Als erstes reiben Sie wie vor jeder Massage kräftig die Handflächen aneinander um das Energiefeld der Hände anzuregen. Dann beginnen Sie erst sanft und dann kräftiger werdend ihre Fußsohle zu reiben bis es richtig warm wird. Kneten und massieren Sie einige Zeit die gesamte Fußsohle und den Fuß und bleiben Sie dann einige Minuten nur im Bereich des Yongquan Punktes. Mit dem Handballen oder auch nur dem Daumen ein wenig kreisen und massieren und danach dann einfach mit der warmen Handfläche in die Fußsohlenmitte hineinspüren. Dies stärkt eine der ursprünglichsten Verbindungen überhaupt: die Feuer-Wasser-Achse, die Verbindung zwischen Niere und Herz, hier ausgedrückt durch Fußsohle (Ni) und Handinnenfläche (He). Ein paar Minuten hineinspüren und im ganzen Körper wirken lassen.

Dann wandern Sie weiter zum unteren Rücken, zu den Nieren. Auch hier wieder die Handflächen kräftig aneinander reiben, bis sie richtig heiß sind und dann auf die Nieren legen und langsam anfangen den gesamten Bereich von Nieren und Kreuzbein kräftig zu reiben. Wichtig ist, dass Sie durch dieses Reiben den Nieren richtig „ einheizen“. Dann lassen Sie Ihre Hände wieder einfach einige Minuten dort liegen, spüren in die Nieren hinein und stellen sich vor, dass Sie die Wärme bis tief in die Nieren hinein einsaugen. Einfach wirken lassen und genießen.

Die Nieren sind wie die Lungen ein paarig angelegtes Organ, haben also eine Vorliebe für Austausch und Kommunikation. Und Sie werden sehr schnell merken, wie dankbar Ihnen Ihre Nieren und der untere Rücken für diese Kommunikation in Form von Reiben, Massieren und Berühren sind.

Ein weiterer Aspekt dieser Funktion der Kommunikation ist der Ausdruck der Nieren in den Ohren. Die Ohren sind ein direktes Tor zu den Nieren und können auch als große Lauscher oder Empfänger am Ende der Antenne (Wirbelsäule) betrachtet werden. Allein vom Aussehen ähneln sie den Nieren sehr, und ihre Form, ähnlich der eines Fötus ist ebenfalls ein deutlicher Verweis auf die Verbindung zur Niere, die als Qualität u. a. die Kraft der Fortpflanzung und Sexualität, des Wachstums sowie das gesamte Potenzial beherbergt.

Zudem sind die Ohren natürlich das Empfangsorgan schlechthin, der große „Lauscher“ für all das was um uns herum und in uns geschieht. Und nicht nur hören im Sinne von verstehen was andere sagen sondern auch ein Hören zwischen den Worten, ein Lauschen tieferer Botschaften, ein Zugang zu dem was uns eigentlich durchs Leben führt.

Als abschließenden Teil der Massage nehmen Sie nun ihre Ohren zwischen Zeige- und Mittelfinger und reiben Sie diese kräftig, solange bis sie glühen. Wenn dies länger dauert nehmen sie sich die Zeit. Dann geht es weiter mit Kneten und Massieren, das ganze Ohr einige Male gut durchkneten und zum Schluss dann einen Moment die nochmal warm geriebenen Handflächen auf die Ohren legen und nachspüren.

Da Leben immer etwas mit Bewegung, Wärme, Liebe und Herz zu tun hat, anstatt mit Kälte und Starre ist das Wärmen und Warmhalten dieser 3 Bereiche, die letztendlich alle ein und denselben Ursprung haben ganz besonders im Winter sehr wichtig, um das gesamte Organnetzwerk Niere mit all seinen weitreichenden Funktionen (Kälte-Wärme-Regulation, Sexualität, Fortpflanzung, Wachstum, Kontrolle der Knochen und des Knochenmarks, uvm.) und uns allgemein, in Balance zu halten. Dies gilt natürlich das ganze Jahr über, aber gerade im Winter, der Jahreszeit des Yin – der Kälte und des sich nach innen Zurückziehens, sollte unbedingt darauf geachtet werden den Körper nicht noch zusätzlich durch äußere Kälte abzukühlen. Ein Warmhalten von Füßen, Nieren und Ohren, wetterangepasste Kleidung, Fußbäder, Massagen, gutes Essen und Ruhe werden Sie sicherlich gut durch den Winter bringen.

Zudem entspricht die Zeit des „Alt seins“ im Leben ebenfalls dem Wasser und dessen Tugend der Weisheit. Im Alter sollte sich eine auf Erfahrung und Intuition beruhende Weisheit entfalten die von uns Jungen nicht gleich als altmodischer Unsinn abgetan werden sollte, sondern v. a. heutzutage, wo uns der Zugang zur Natur immer mehr verloren geht, helfen kann wieder einen Einblick in ein tieferes Verständnis zu erahnen. Und so scheint es doch ab und zu ganz ratsam sich solch kleine großmütterliche Weisheiten einmal etwas genauer anzuschauen und einfach mal eine Zeit lang auszuprobieren.

Diese Fuß-Nieren-Ohren-Massage dürfen Sie täglich mindestens einmal oder auch mehrmals, immer wenn Ihnen danach ist, durchführen. Sie können sie auch als tägliches Morgen- und Abendritual in Ihren Alltag einbauen und werden sie ganz sicher bald nicht mehr missen mögen.

 

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Foto: © Andrey Kiselev – 123RF

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