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Stille Nacht, Heilige Nacht!

Stille Nacht, heilige Nacht - Stefan Körber, FotoliaWeihnachten & Winter chinesisch betrachtet

Die heilige Nacht, die Stille, um die es hier geht, wird in der chinesisch-energetischen Betrachtungsweise zunächst einmal verbunden mit dem Begriff der Kälte. Die Kälte gehört in genau diese Jahreszeit und genau zu diesem Fest. Und schon der Begriff zeigt uns einige Aspekte auf, die in unserer modernen Zivilisation verloren gegangen sind. Wer z. B. überhaupt keine Kälte mag und sich sofort nach Beginn des Herbstes oder des Winters nach dem Frühling sehnt, der hat ein Yin/Yang-Ungleichgewicht im Körper. Die Kälte blockiert die Leitbahnen und sorgt für Schmerzen, teilweise sehr heftige. Die Kälte macht unbeweglich und verlangsamt die körpereigenen Prozesse wie Blutfluss, Verdauung etc. Kälte kann sich auch auf die emotionale Ebene vorarbeiten, wir werden dann innerlich kalt, eiskalt, wie wir ja auch zu sagen pflegen. Typische erste Kältezeichen sind oft kalte Füße und kalte Hände, dann kommen vielleicht Kältegefühle in den Knien oder der Lenden- und Nierengegend dazu. Letztlich kann der gesamte Unterleib, insbesondere bei Frauen, kalt werden und ein Kältegefühl hervorrufen. Natürlich kann auch das Herz kalt werden und wir somit kaltherzig. Positive Emotionen wie Liebe, Mitgefühl, Dankbarkeit können einfrieren und auf der psychischen wie auf der physischen Ebene für Beschwerden oder Erkrankungen sorgen.

Neben der Kälte verbindet die Chinesische Medizin mit dem Winter den Rückzug. Wir sollen uns mehr nach innen, in unser Zuhause zurückziehen. Aber dann auch noch weiter in unser eigenes Inneres, in unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele. Die Methode dafür nennt man ganz allgemein Meditation. Die Kälte als auch die Dunkelheit schaffen eigentlich optimale Bedingungen für einen Rückzug. Es gibt weniger draußen zu tun und auch weniger zu erleben, so kommen wir insgesamt mehr zur Ruhe. Und wie jeder weiß, der schon einmal richtigen Schneefall erlebt hat, wird das Leben zwar heller (Yang) durch den Schnee, aber auch langsamer (Yin). Und obwohl der Schnee die Helligkeit erhöht, wissen auch wir, dass die Nächte sehr, sehr lang sind und die Tage entsprechend kurz. Natürlich muss auch die Ernährung zu solch einer Zeit ganz anders aussehen als z. B. die Ernährung im Sommer. Wir brauchen nun eher wärmende, gekochte Nahrung mit entsprechenden Gewürzen wie Zimt oder etwas Ingwer und vielleicht Fencheltee oder einfach gekochtes Wasser. Zum Winter passend sind durchaus auch ein wenig Fett und auch Schweinefleisch, Fisch und vor allem Hülsenfrüchte, kräftigende Suppen und Eintöpfe.

Die Dunkelheit ist ein ebenso wichtiger Aspekt des Winters und gleichzeitig auch ein Symbol, um die Kraft der Niere zu verstehen. Die Niere ist das am tiefsten im Inneren des Körpers gelegene Yin-Organ. Die ihr zugeordnete Farbe ist dunkelblau/schwarz. All diese Aspekte drücken das Große Yin aus. Dies sind Aspekte, die eine Yang-Gesellschaft, wie die unsere, natürlich überhaupt nicht mag. Pause, Ruhe, Langsamkeit, Dunkelheit, Alter, Tod sind ja bei uns geradezu tabuisierte Begriffe, die niemand gerne in den Mund nimmt. Und somit wird die Nierenkraft in unserer Gesellschaft, allein schon durch unseren Lebensstil, generell geschwächt. Am Beispiel des Weihnachtsfestes kann man dies einmal exemplarisch aufzeigen, denn dieses Fest steht ja unmittelbar vor der Tür. Das Weihnachtsfest ist eine Überlagerung seitens der Kirche zum eher heidnischen Fest der „Rückkehr des Lichtes“. In vielen alten Kulturen gab es lange vor dem Christentum das „Fest des Lichtes“, welches zelebriert wurde, um der Natur seine Dankbarkeit zu zeigen für die Rückkehr des Lichtes, die Rückkehr der Wärme oder wie die Chinesen sagen, für die Rückkehr des Yang. Noch unsichtbar, tief ins Innere zurückgezogen, beginnt doch mit dem 24.12. (dem ersten Yangstrich nach der Winter-Sonnen-Wende am 21.12.) das erste Sich-Regen des Yang in der Natur und so auch im Menschen. Die Rückkehr des Lichtes verbreitet die Zuversicht, dass alle Dunkelheit und Kälte irgendwann ein Ende hat und sich die Wärme, die Sonne, das Licht zurückmeldet aus dem innersten Zentrum der Welt. Noch unerkannt und kaum vorstellbar werden die Nächte langsam wieder kürzer, die Tage länger und die Erde bereitet sich auf ein neues Leben, auf die sog. Wiedergeburt, vor. Energetisch sollten wir Menschen uns nach der großen Ernte im Herbst, mit dem letzten gemeinsamen Feiern der „Fülle der Erde“ und dem Verteilen der reichlichen Gaben an alle (!!),(besonders an die Menschen, die irgendwie Pech hatten oder unglücklich gewirtschaftet haben), langsam zurückziehen. Verstehen Sie? Das Ernte-Dank-Fest war traditionell das Treffen aller Bewohner einer Gegend, um sich bei der Erde und dem Himmel zu bedanken und diesen symbolisch ein Opfer darzubringen. Ein letztes Mal für einige Monate wurde gemeinsam gefeiert, die Fülle verteilt an die Menschen und ein Teil eingelagert für den bevorstehenden Winter. Danach ging es weg von der Gesellschaft, hinein in die Familie. Die Adventszeit ist der erste Teil des winterlichen Rückzuges in die Wärme und Liebe des eigenen Stammes, der eigenen Sippe, die mit dem Weihnachtsfest (der Rückkehr des Lichtes) einen gewissen Höhepunkt erfährt. Ähnlich wie bei den Tieren, begaben sich die Menschen in eine Art Winterschlaf. Das (Weihnachts-) Fest der Familie wurde dann in viel Stille, mit danken, beten und gemeinsamen Mahlzeiten verbracht. Die Hoffnung keimte auf, dass das Leben neu beginnen wird. Dafür wurde geopfert. Dem Himmel, der Erde und der Sippe, sprich untereinander. Man wurde beschenkt vom Himmel mit Essen, Unterkunft und Liebe und bedankte sich mit Gebeten und Ritualen bei ihm. Nach diesem Höhepunkt des gemeinsamen „Feierns in der Familie“ sollte der Rückzug in uns selbst, in unser eigenes Inneres erfolgen und bis weit in den Januar hineinreichen. Deshalb werden auch heute noch Retreats (Rückzug vom Alltag, hin zu sich selbst) gerne in dieser Jahreszeit und insbesondere im Januar abgehalten. Die Energie bewegt und stärkt sich noch im Inneren und somit ist die Welt (und wir) äußerlich ruhig, dennoch ist schon Yang-Kraft da, die es zu pflegen und zu kräftigen gilt. Außerdem sollte natürlich der Bezug zwischen dem Einzelnen und der Erde und insbesondere dem Himmel gepflegt und die Beziehung zu diesen verstärkt werden. Nach Wochen dieses individuellen Rückzugs aus der Welt der Erscheinung beginnt im Februar die Yang-Energie auch langsam wieder an die Oberfläche vorzudringen. Sie ist nun wieder in Fülle – durch die Sammlung und Stärkung in Stille und Einsamkeit – und steigt wie eine Wiedergeburt erneut empor, um uns dann als Frühlingskraft hinaus in das Leben und die Welt zu treiben. Es heißt, dass wir erst in der Dunkelheit unser eigenes, inneres Leuchten erfahren können. Nur durch die Erfahrung von Stille, Dunkelheit und Einsamkeit verstehen wir den Lauf der Dinge. Nur durch dieses tiefe Eintauchen in das Yin, verstehen wir das Yang. Nur wenn wir die Einsamkeit in uns selbst erfahren haben, können wir die Zwei- und Mehrsamkeit entsprechend schätzen. Nur wer Yang und Yin, Tag und Nacht, männlich und weiblich, bewegend und statisch, warm und kalt, hell und dunkel, einsam und gemeinsam gelebt und durchdrungen hat, der versteht die gesamte Welt und kann gesund und heil (im Sinne von Ganzheit) ein Leben von Bedeutung, von tiefer innerer Zufriedenheit und voller Glück führen. Der Winter und „die Rückkehr des Lichtes“ (unser Weihnachtsfest) sind also sehr bedeutende und wichtige Aspekte eines gesunden, friedvollen Lebens.

Doch schauen wir uns das Elend mal an, das wir industrialisierten Menschen aus dieser wundervollen Idee gemacht haben. Es betrübt mich schon ein wenig, wenn ich sehe und erlebe, dass dieses wundervolle Fest verkommen ist zu einem riesigen Fest der Einkäufe und des Stresses. Wunderbare, große, tolle Geschenke: Je weniger Zeit wir hatten selbst zu leben und für unsere Freunde und Familie da zu sein, umso größer die Geschenke. So jedenfalls scheint es oft. Und dann hetzen wir in der besinnlichen (! – es scheint um den Sinn des Lebens zu gehen, den wir erfahren sollen. Das Dao, wie die Daoisten es nennen. Richard Wilhelm hat immerhin Laozi´s Werk „DaoDeJing“ übersetzt als: Das Buch von Sinn und Tugend“) Vorweihnachtszeit von einem Geschäft zum anderen, von einer Weihnachtsfeier zur Nächsten, von A nach B (zu Mama) und A nach C (Schwiegermama), um dann nach Weihnachten endlich ein wenig zur Ruhe zu kommen und uns etwas vom Weihnachtsstress erholen zu können. Verstehen Sie? Weihnachtsstress ist ein Widerspruch in sich! Und fast alle hier bei uns haben genau diesen Stress, genau diesen Widerspruch. Und dann kommen ja der Weihnachtsurlaub und Silvester. Wir müssen was erleben. Es muss was passieren, sonst werden wir in dieser Winterzeit ja wahnsinnig. Wir brauchen allerdings gar nicht mehr wahnsinnig werden, wir sind es bereits!

Als Fazit möchte ich einfach nur, in meiner mir eigenen eindringlichen und manchmal etwas heftigen Sprache aufzeigen, was wir da tun und wie und wo es unserer Natur, unserer Natürlichkeit entgegenläuft. Und Sie können selbst entscheiden, ob Sie dies wirklich so beabsichtigt haben! Sie können selbst schauen, ob ich mit meiner Beschreibung richtig liege und wie Sie mit diesen Informationen umgehen. Sie selbst haben alles in der Hand. Niemand drängt uns, niemand zwingt uns. Wir sind es selbst, die für unser Leben verantwortlich sind. Vergessen Sie das nie. Und Weihnachten und der Winter sind hervorragende Zeiten, sich selbst wieder etwas näher zu kommen. Ohne Druck, ohne Leistung. Wir schauen nur aufmerksam, wer wir wirklich sind und was wir uns wirklich vom Leben wünschen. Der Winter und das Weihnachtsfest, sozusagen als dessen Höhepunkt, sind wichtige Aspekte der Natur, die uns unser wahres Mensch-Sein bewusst machen wollen und die uns helfen, unseren Weg zu gehen, unseren Sinn, unseren Weg zu finden. Im Winter sollten wir Dankbarkeit spüren für die Gewissheit, dass Kälte und Dunkelheit nur vorübergehend sind und sicher wieder abgelöst werden von der aufbrechenden Kraft des Frühlings. Wir sollten uns an der Erkenntnis über uns selbst erfreuen und wir sollten die ganze Liebe des Universums, der Natur spüren, die beispielsweise durch die Jahreszeiten uns Menschen hilft, der zu sein, der wir tief in unserem Herzen sein wollen:

Ein glücklicher und friedvoller Mensch, der weiß, dass wir all dies nur gemeinsam leben können und deshalb auch den Anderen nie vergisst. Das Weihnachtsfest und die Winterzeit sind wichtiger denn je, um unsere Umwelt wieder richtig zu verstehen und uns ihr anzupassen.

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