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Meine Begegnung mit dem „Meister vom Drachentor“

Meine Begenung mit dem Meister vom DrachentorWie es dazu kam…

Obwohl ich mich, was Qigong und Daoismus angeht, durchaus als „Alten Hasen“ bezeichnen würde, der sich inzwischen immerhin mehr als 25 Jahre theoretisch als auch praktisch mit diesen Themen beschäftigt, so war ich doch ein wenig aufgeregt, als ich die Einladung erhielt, an einem „privaten“ Training über daoistische Innere Alchemie bei dem berühmten Meister Wang Liping in China teilnehmen zu dürfen. Immerhin ist Meister Wang der Linienhalter der bekannten Drachentorschule (Longmenpai) in der 18. Generation und durch sein Buch „Der geheime Meister vom Drachentor“ selbst in Deutschland sehr bekannt unter Eingeweihten und Interessierten. In diesem Buch, welches ich im vergangenen Jahr neu in meinem Verlag habe auflegen lassen, wird die 15 jährige Ausbildungszeit von Meister Wang in Romanform beschrieben. Dieses Buch gibt einen Eindruck in die Ausbildung der alten Daoisten, die mystisch, für den westlichen modernen Menschen schwer vorstellbar und vielleicht deshalb total faszinierend ist. Und eben dieser Meister Wang hatte mich zu einem daoistischen Training in einer kleinen Gruppe von gerade mal 18 Teilnehmern eingeladen, weil ich sein Buch neu aufgelegt und somit dem Dao einen großen Dienst erwiesen habe, wie er durch seine Meisterschülerin und Dolmetscherin Kathy mitteilen ließ.

Nun war ich auf dem langen Weg von Ladbergen (wie, kennen Sie nicht? Diese kleine Gemeinde zwischen Münster und Osnabrück) nach Dalian (wie, kennen Sie auch nicht? Die große Millionenstadt 1 Flugstunde von Peking entfernt), um an diesem Retreat teilzunehmen. Der Flug ließ mir, bei fast 10 Stunden Flugzeit, genügend Zeit, nochmals in seinem Buch zu lesen. Und so manches Mal wich meine Neugier einer gewissen Furcht vor dem scheinbar doch recht anstrengenden Training. Und meine Ahnung erwies sich als durchaus berechtigt. Doch dazu später.

Als ich in Peking aus dem Flieger stieg, strömte mir sofort der „Duft Asiens“ entgegen. Wer schon einmal Asien bereist hat, weiß, was ich meine, wer nicht, sollte dies vielleicht mal tun. Dieser angenehm süßlich feuchte Duft ließ keine Zweifel mehr daran, dass ich in einer anderen Welt gelandet war. Für mich war es kaum vorstellbar, dass sich diese Welt nach meiner Ankunft in Dalian nochmals völlig verändern sollte. Mit diesem neuen Duft ging es nochmals ins Flugzeug und dann nochmals 2,5 Stunden in einen kleinen Bus, wo die Gruppe und ihr Gepäck kaum hineinpassten.

Die Gruppe war international besetzt und bestand überwiegend aus langjährigen Schüler von Meister Wang. Im Hotel begrüßte uns Meister Wang (im Jogginganzug) noch spät in der Nacht persönlich mit Handschlag, einem sehr freundlichen Lächeln und einer sehr herzlichen Ausstrahlung. Wir durften endlich, nach weit mehr als 30 Stunden Reise schlafen, doch am nächsten Morgen war schon um 7.30 Uhr das Frühstück angesetzt und um 9.00 Uhr das erste Training.

Das erste Training

Wir trafen uns nach einem typisch chinesischen Frühstück mit Congees (lang gekochte Getreidebreie), Ei, Tomate, Gemüse aus dem Wok und gedämpftem Brot – zu trinken gab es gekochtes Wasser – in einem kleinen dunklen Raum gegenüber dem Hauptgebäude des Hotels. Das Nebengebäude war mit Suiten versehen, in denen die Hotelgäste fernsehen, Alkohol trinken und sich entspannen konnten. Es roch nach Zigaretten und Alkohol wie verrückt, außer in unserem kleinen Übungsraum, den Meister Wang energetisch gereinigt hatte.

Nun saßen wir auf unseren Decken im Schneidersitz oder die anspruchsvolleren im Halben oder Ganzen Lotussitz. Meister Wang begann, wie immer in diesen Tagen, sehr pünktlich und bat uns, ebenfalls pünktlich zu sein. Zuerst gab es eine Reihe von Vorschriften, die wir möglichst beachten sollten. Kein TV, möglichst wenig reden und Kontakte, sehr gut und reichlich essen, gut schlafen und mit offenem Herzen üben und hinhören waren wohl die wichtigsten Grundregeln für das daoistische Alchemie-Training.

Dann schilderte er kurz seine Ausbildung und die Geschichte der LongmenPai-Schule, dessen Linienhalter er ist. Nach kurzen aber faszinierenden Geschichten über die verschiedenen Meister und ihre unglaublichen Fähigkeiten, ging es dann los: Sitzmeditation. Licht aus, Sitz korrigieren und der Befehl „Fangsong“ (entspannen) ertönte. Kaum war das Energiefeld aufgebaut, fingen auch schon die ersten Knochen an zu bersten. In den Beinen und den Hüften besonders, aber auch die Arme und der Rücken kamen nicht zu kurz. Kein Gedanke mehr an Entspannung, alles war nur noch angespannt. Die Energie bahnte sich seinen Weg durch den Körper, ob wir es wollten oder nicht! Am Ende des ersten Tages, nach nur 2 Sessions von etwa je 2,5 Stunden, sagte James, ein älterer Herr aus Kanada: „Well, sitting meditation with master Wang, to bring it into one word, I think hell is the best!“(Nun, Sitzmeditation mit Meister Wang in einem Wort ausgedrückt, ist Hölle wohl das treffendste.). Die Anwesenden pflichteten allesamt bei.

Das Programm war dann an jedem Tag dasselbe. Von der Struktur her zumindest, von den Inhalten und Erfahrungen gab es jeden Tag neues zu lernen und zu erleben. Wir standen auf um 5.30 Uhr (und das mir, dem Langschläfer), um 6.00 Uhr ging es 1 Stunde wandern in einer speziellen daoistischen Art und Weise. Dann um 7.30 Uhr Frühstück. Von 9.00 Uhr – 12.00 Uhr gab es Theorie und Sitzmeditation. Nach dem reichhaltigen Mittagessen durften und sollten wir unbedingt pausieren. Um 15.30 Uhr ging es weiter mit Sitzmeditation bis 18.00 Uhr. Dann gab es ein üppiges Abendessen. Um 19.30 Uhr stand für 1 Stunde der „Energieaustausch mit Bäumen“ auf dem Programm. Von 22.00 – 24.00 Uhr gab es das sog. „Schlaf-Qigong – shuigong“, was leider gar nichts mit schlafen zu tun hat, sondern eine Meditation im Liegen ist, bei der man möglichst auf keinen Fall einschlafen soll.

Die Theorie aller Tage ergab einen „Schnelldurchlauf“ für den Prozess der Inneren Alchemie und der Bildung des Dan, dieser berühmten Energiepille, dessen Generierung den gesamten Körper des Übenden auf allen Ebenen völlig verändert. Von Gesundheitsvorsorge über Therapie eigener Schwächen bis hin zur Wandlung der eigenen Seele und dem Weg zur „Unsterblichkeit, wurde alles grundlegend und dennoch sehr detailliert von Meister Wang dargelegt. Auch hierbei konnte man schnell erkennen, über welch umfangreiches und tiefgreifendes Wissen er verfügt. Und alles ohne Skript, ohne Vorlage, einfach aus dem Stehgreif. Er gab Meditationshilfen, Erläuterungen zu klassischen Texten sowohl der Daoisten als auch Anmerkungen über buddhistische Aspekte dieser Energiearbeit und er gab Hinweise für jeden Einzelnen für die Praxis des Dan. Außerdem erzeugte er ein wahnsinnig intensives, ja man muss sagen schmerzhaft, heftiges Qi-Feld. Er machte auch klar, dass Meditation und Qigong kein reines Gesundheitstraining sind, sondern immer den ganzen Körper in seinen Aspekten Körper, Energie, Geist und Seele einbezieht. Den Weg des Dao zu gehen, so betonte er, erfordere viel Training, Leidfähigkeit und Ausdauer. Deshalb spricht man auch von einer Kultivierung des Dao, oder vom Entwickeln von Gongfu. Übrigens eben nicht nur für den Körper. Verzicht, Liebe zum Nächsten und die Entfaltung und Öffnung des Herzens sind sogar die wichtigeren Aspekte dieser alten daoistischen Praxis aus der Drachentorschule.

Von Dalian und China gesehen habe ich so gut wie nichts. Und selbst die Sonne selten, da die meisten der Sessions in einem dunklen Raum stattfanden. Und dennoch war dieses Retreat für mich sehr erhellend. Sowohl die Übungserfahrungen (Schmerzen überall, Lichtblicke, Qi-Felder von enormer Stärke uvm.) als auch die tiefgreifenden Erläuterungen, die große Herzlichkeit von Meister Wang und seine kurzen Vorführungen ließen keinen Zweifel daran, dass ich einem wirklich großen daoistischen Meister begegnen durfte. Das war das Leid auf jeden Fall wert.

Wie die Daoisten so sind was Planungen angeht, nämlich sehr vorsichtig, so kam dennoch die Idee und Frage auf, ob er nicht mal Europa bereisen und dort Kurse geben könne. Man kann es uns nur wünschen. Ich bin dankbar für diese Erfahrung und freue mich auf weitere Begegnungen mit dem Daoismus und seinem Wissen über ein natürliches Leben innerhalb der Natur.

Während ich mich gleich zu meiner letzten „Stunde der Qualen“, zur Sitzmeditation aufmache, ist mein Koffer schon gepackt und nach einer kleinen Mittagspause geht es zurück in die Heimat, wo mich nach 37 Stunden Reise meine geliebte Frau hoffentlich am Flughafen in die Arme nimmt. Mit schmerzenden Knochen und jeder Menge Fragen, Erfahrungen und Anregungen im Gepäck. Danke Meister Wang!

Von Joachim Stuhlmacher

Mehr vom Meister vom Drachentor in seiner Biografie.

Meine Begegnung mit dem Meister vom Drachentor - Beitrag mit allen Darstellungen als PDF downloaden

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